01. FASCHISMUS UND ANTIFASCHISMUS

Urheberrechte: Nino Saltalamacchia, Centro Studi Eoliano

Da sind wir, Jan! Hier beginnt unsere Reise!

Auf dieser Insel? Ist ja ein wunderschöner Ort, aber doch sehr weit weg von allem…

Wir sind auf Lipari in Sizilien. Ab 1927 war die Insel die wichtigste Strafkolonie zur Konfinierung der Regimegegner. Dieses Schicksal erwartete einen Großteil der antifaschistischen Intellektuellen und Politiker. Sie wurden in abgelegene Orte verbannt, um sie physisch und psychisch auf Distanz vom Rest des Landes zu halten.

Das heißt, sie lebten wie in Konzentrationslagern?

Nein, das nicht, aber es war trotzdem kein leichtes Leben. Die Konfinierten mussten Ausgangssperrzeiten einhalten, sie konnten keine Versammlungsorte aufsuchen und lebten in prekären Verhältnissen.

Ist niemals jemandem die Flucht gelungen?

Doch, es gab hier einmal eine unglaubliche Fluchtgeschichte. Am 27. Juli 1929 gelang es drei der bedeutendsten Vertreter des Antifaschismus, nämlich Francesco Fausto Nitti, Carlo Rosselli und Emilio Lussu, der Überwachung durch Carabinieri und faschistische Miliz zu entgehen und an Bord eines Motorbootes zu fliehen. Die Flucht war auf Betreiben anderer Oppositioneller, die im Pariser Asyl lebten, bereitgestellt worden.

Urheberrechte: Centro Studi Eoliano

GESCHICHTE

Im Jahr 1919 gründet Benito Mussolini in Mailand die Fasci di combattimento (Kampfbünde). Mit Unterstützung der Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg und des Mittelstands entsteht aus der Bewegung 1921 der Partito Nazionale Fascista (Nationale Faschistische Partei).

Am 28. Oktober 1922 organisieren die Faschisten den Marsch auf Rom. König Vittorio Emanuele III. legt der Unternehmung keine Steine in den Weg, sondern bietet Mussolini sogar den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung an.

Der zukünftige Duce legt den Grundstein für die spätere Diktatur: Begrenzung der politischen und gewerkschaftlichen Freiheiten; Einrichtung des Sondergerichts und der Geheimpolizei; gewalttätige Unterdrückung der Oppositionellen, die zu Gefängnis oder Konfinierung verurteilt oder ins Exil verbannt, wenn nicht gar physisch eliminiert werden. Zwischen 1923 und 1926 verlieren durch den faschistischen Terror Don Giovanni Minzoni, der Abgeordnete Giacomo Matteotti, Piero Gobetti und Giovanni Amendola das Leben. 1937 stirbt Antonio Gramsci nach 11 Jahren Haft; im selben Jahr werden Carlo und Nello Rosselli in Frankreich ermordet.

Seit Anfang der dreißiger Jahre entsteht eine neue Generation von Antifaschisten, die bereit sind, gegen die Diktaturen, die sich in Europa ausbreiten, zu kämpfen. Ein Beispiel sind die mehreren tausend Freiwilligen der Internationalen Brigaden, darunter mehr als 4000 Italiener, die sich 1936 im Spanischen Bürgerkrieg für die Verteidigung der Republik rekrutieren lassen. In Italien wachsen die Anzeichen für Unzufriedenheit mit dem Regime, auch wenn dessen Stabilität davon noch nicht erschüttert wird.

ERINNERUNG

Die öffentliche Aufarbeitung der Erinnerung an den Faschismus in Italien war und bleibt weiterhin komplex. Es handelt sich um ein Problem der Vergangenheitsbewältigung, das sich in Form instrumentalisierter Revisionismen äußert – oder ganz einfach um Versuche, das Bild vom italienischen Faschismus zu verharmlosen, indem man diesen auf ein gütiges Regime reduziert und das Stereotyp der Italiener als „gute Menschen“ hervorhebt.

Der Aufstieg der populistischen Rechten und der Verlust der zentralen Stellung des Antifaschismus haben gefährliche Vereinfachungen begünstigt, ebenso wie die Appelle für ein allgemeines Vergessen der Vergangenheit und die zunehmende Toleranz gegenüber der Verwendung von Symbolen und Vokabular des Regimes. Zugleich pilgern nach wie vor hunderte von Nostalgikern nach Predappio, zum Grab von Mussolini.

Noch kennzeichnen viele architektonische Zeugnisse des Faschismus die Kulturlandschaft Italiens: Denkmäler, öffentliche Gebäude, ganze Stadtviertel. Ein Erbe, über dessen Schicksal diskutiert wird: Soll man erhalten, abreißen, neu interpretieren? Auf der anderen Seite sind die Orte, an denen die Regimegegner gefangen, konfiniert, gefoltert und ermordet wurden, wieder zugänglich gemacht und in Museen und Interpretationszentren Dokumentationszentren verwandelt worden. Diese sind heute von grundsätzlicher Bedeutung, um die Erinnerung an den Antifaschismus und an dessen Werte wahren zu können.

Sehenswürdigkeiten

01.
02.
Piazza San Sepolcro
(Mailand, Lombardei)
03.
Siegesdenkmal
(Bozen, Trentino Südtirol)
04.
Museumshaus Giacomo Matteotti
(Fratta Polesine, Venetien)
05.
06.
Cinecittà studios
(Rom, Latium)
08.
Museumshaus Antonio Gramsci
(Ghilarza, Sardinien)

 

Film- und Literaturtipps

Il conformista

Film

(Bernardo Bertolucci, 1970)

Antonio Gramsci
I giorni del carcere

Film

(Lino Del Fra, 1977)

Cronache di poveri amanti

Film

(Carlo Lizzani, 1954)

M
Il figlio del secolo

Buch

(Antonio Scurati, Bompiani, 2018)

Mehr erfahren

Casellario politico centrale
Archivio centrale dello Stato
Antifascisti, volontari e combattenti italiani della guerra civile spagnola